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Hightech-Papa Athos
Seit Jahren kämpfen Wissenschaftler und Artenschützer mit modernen Reproduktionsmethoden um das Überleben der massiv bedrohten Nashörner. Einem Spezialistenteam ist nun mit Unterstützung der Akademie für Zoo- und Wildtierschutz ein Durchbruch gelungen: der weltweit erste erfolgreiche Embryotransfer. Lesen Sie, was es damit genau auf sich hat – und welche Rolle ein Salzburger Nashornbulle dabei spielt.
Wenn Athos auf seiner Anlage im Salzburger Zoo Hellbrunn herummarschiert, dann dürften die meisten Besucher tief beeindruckt von ihm sein: Mehr als zwei Tonnen wiegt dieser Nashornbulle. Ein stattlicher Kerl ist er. Einer, dem mit seinen 21 Jahren leicht zu unterstellen ist, die eine oder andere Nashornkuh zu beglücken und für reichlich Nachwuchs zu sorgen. Dieser Eindruck täuscht auch nicht: Athos gilt tatsächlich als einer der drei erfolgreichsten Zuchtbullen der Welt – und damit auch als Trumpf im Bemühen, die massiv vom Aussterben bedrohten Nashörner zu erhalten. Mit Athos‘ Hilfe ist jetzt eine wissenschaftliche Sensation geglückt: Weltweit erstmals ist in der Reproduktionsmedizin ein Embryotransfer beim Nashorn gelungen.
Foto © Zoo SBG
Die drei Wunder von Salzburg
„Ein Meilenstein im Kampf um das Überleben dieser Art“, so nennt es Prof. Dr. Henning Wiesner, Vorstand und Gründer der gemeinnützigen Akademie für Zoo- und Wildtierschutz. Er selbst hat einen nicht unbedeutenden Teil zum Gelingen des Projekts beigetragen. Denn Athos zeigte zunächst keinerlei Anstalten, sich für die Rettung seiner Art auf seine Weise zu engagieren. 2012 war er aus einem ungarischen Zoo nach Salzburg gekommen. An seinen dortigen Artgenossinnen zeigte er aber keinerlei Interesse. Dieses Desinteresse beruhte auf Gegenseitigkeit: Auch Tamu und Yeti konnten mit dem Bullen aus Ungarn so gar nichts anfangen. Ein gutes Jahr später wandte sich die Salzburger Zoodirektorin Sabine Grebner an Prof. Wiesner und bat ihn um wissenschaftliche, zoologische und tiermedizinische Beratung. Sie kannte Wiesner noch aus seiner Zeit als langjährigen Zoooveterinär und Chef des Münchner Tierparks Hellabrunn.
2015 geschah dann ein doppeltes Wunder: Die Salzburger Nashornkühe Tamu und Yeti brachten zwei gesunde, männliche Kälber zur Welt. 2020 folgte mit „Tamika“ Wunder Nummer drei. Und Vater aller drei kleinen Nashörner war - Athos. Was war geschehen?
Foto © BioRescue/IZW Berlin
Überraschung für die Spezialisten aus Berlin
Im Zuge seiner Beratung im Zoo Hellbrunn hatte Wiesner künstliche Besamung empfohlen und dafür den Kontakt mit den Spezialisten vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung hergestellt. Nach ersten Untersuchungen der Tiere in Salzburg schwand aber die Hoffnung auf Nachwuchs: Athos verfügte über eine denkbar schlechte Spermienqualität – und die Eizellen der Nashorndamen erwiesen sich als nicht befruchtungsfähig. Wiesner stellte die Fütterung um und verordnete den Salzburger Nashörnern eine spezielle Phytotherapie. Und plötzlich zeigte sich ein anderes Bild, das die Spezialisten aus Berlin, Prof. Dr. Thomas Hildebrandt, Dr. Frank Göritz und Dr. Robert Hermes zum Staunen brachte: Athos‘ Spermien wiesen eine unglaubliche Dichte und Menge auf. Die Eizellen der Kühe waren perfekt ausgereift. Einer künstlichen Besamung stand also nichts mehr im Weg.
Diese Methode steckte bei Nashörnern zu dieser Zeit noch in den Anfängen. Aber klar war bereits, dass sie höchstwahrscheinlich die einzige Methode sein würde, manche Unterarten vor dem Aussterben zu bewahren und die genetische Vielfalt der einzelnen Arten zu erhalten. Nach den Erfolgen in Salzburg stand für die Akademie für Zoo- und Wildtierschutz und Prof. Wiesner schnell eines fest: auch die internationale In-Vitro-Fertilisation bei Nashörnern zu unterstützen, also quasi die „Befruchtung im Glas“.
Einen ersten großen Schritt dorthin ging das IZW zusammen mit Henning Wiesner ebenfalls wieder in Salzburg. Dort gelang es, bei der damals bereits 33 Jahre alten Breitmaulnashornkuh Kifaru mit neu entwickelten Spezialgeräten Follikel zu finden und für die Nachwelt einzufrieren. Nach ihrem altersbedingten Tod Ende 2020 wurden ihr zudem von den Reproduktionsspezialisten aus Berlin noch die Eierstöcke entfernt. Kifaru, die sich zu ihren Lebzeiten nie fortgepflanzt hatte, galt aus genetischer Sicht als äußerst wertvolles Tier. „Kifaru kann auf diese Weise über ihren Tod hinaus einen unschätzbaren Beitrag zum Erhalt ihrer Art leisten“, sagte die Salzburger Zoodirektorin Sabine Grebner aus diesem Grund damals.
Foto © BioRescue/IZW Berlin
Artenschutz mit modernen Technologien
Auch Athos‘ Spermien wurden seit 2013 eingefroren. Daraus entstand drei Jahre später der erste „In-Vitro-Südliche-Breitmaulnashorn-Embryo“ weltweit – was schon damals als enormer wissenschaftlicher Fortschritt in der Rettung der Nashörner gewertet wurde. Von den Südlichen Breitmaulnashörnern gibt es weltweit noch etwa 20 000 Tiere, sie gelten daher als potenziell gefährdet. Von der Unterart der Nördlichen Breitmaulnashörner gibt es dagegen nur mehr zwei weibliche Tiere, Najjin und Fatu, die unter strenger Bewachung in Kenia leben. Besonders tragisch: Beide Tiere können auf natürlichem Wege nicht trächtig werden und zudem wegen gesundheitlicher Probleme keine Schwangerschaft austragen (Quelle: www.biorescue.org). Ihr Aussterben könnte daher als gesichert angesehen werden – wenn Wissenschaft und Forschung nicht um ihr Überleben kämpfen würden.
Wie? Mittels Embryotransfer und „Leihmüttern“. Ein solcher Embryotransfer mit nach drei Monaten festgestellter Trächtigkeit bei einer Südlichen Breitmaulnashorn-Kuh ist nun erstmals im September 2023 in Kenia geglückt. Für den Zoo Salzburg und die Akademie für Zoo- und Wildtierschutz war die Wildtierspezialistin und Zooveterinärin Dr. Miriam Wiesner mit dabei. „Für uns ist dieses Projekt ein Steckenpferd im Hinblick auf Arterhaltung, Wissenschaft und Forschung und mir persönlich liegt es absolut am Herzen“, sagt sie. „Auch wenn ich sehr traurig bin, dass Mutter und Kind an einer Clostridieninfektion gestorben sind, bringt uns diese Erfahrung dem Ziel nahe, auch Nördliche Breitmaulnashörner retten zu können.“ Die Infektion hatten sich die Tiere nach heftigen und anhaltenden Niederschlägen zugezogen: Clostridien überleben in Böden über Jahre hinweg und wurden in diesem Fall quasi ausgespült. Das hatten sämtliche Untersuchungen, die nach dem Tod der Leihmutter angestellt worden sind, eindeutig ergeben.
„Leihmütter“ sind bereits gefunden
Trotzdem kann der gelungene Embryotransfer mit anschließender Trächtigkeit als Meilenstein angesehen werden und als wichtiger Schritt zum nächsten Ziel: die Nördlichen Breitmaulnashorn-Embryos, die aktuell noch kyro-konserviert, also eingefroren sind, von einer Südlichen Breitmaulnashornkuh austragen zu lassen. Geeignete Tiere dafür hat das BioRescue-Team bereits gefunden.
Die Akademie für Zoo- und Wildtierschutz e.V. wird dieses Vorhaben auch weiterhin unterstützen. Prof. Dr. Henning Wiesner: „Hightech-Wissenschaft zur Erhaltung bedrohter Arten: Ein effektiveres und besseres Zusammenspiel ist für mich schwerlich vorstellbar.“
Weitere Information unter www.biorescue.org