Bayern
Der König des Waldes und sein Reich
Rothirsche sind heimische Wildtiere – doch nicht überall ist ihr Bestand gesichert. Welche Faktoren zu ihrem Vorkommen beitragen, soll eine Studie zum Raum- Zeit-Verhalten von Rotwild im Forstbetrieb Ruhpolding klären. Die Akademie unterstützt diese Forschung mit praktischer Hilfe.
Es ist ein auffälliger Umstand: Während sich in einigen Regionen das Rotwild tummelt, sind andere für diese Spezies typische Lebensräume komplett hirschfrei. Woran liegt das? Mit einer groß angelegten Studie des Forstbetriebs Ruhpolding soll herausgefunden werden, wie sich die Tiere ehemalige rotwildfreie Zonen wieder auf natürliche Weise zurückerobern.
Der Diplom-Ingenieur Horst Leitner, der das Projekt leitet, berichtet darüber:
„Bereits im Winter 2017/18 wurden dafür an zwei verschiedenen Fütterungsstandorten (Weißenstein und Maurach) zwölf Stück Rotwild gefangen, narkotisiert und mit einem GPS-Senderhalsband versehen. Die Immobilisation übernahm Dr. Henning Wiesner mit seinem Blasrohr und Narkosegewehr und mit der seit mehr als 40 Jahren bewährten „Hellabrunner Mischung“ als Narkosemittel. Mit den Sendern soll das Raum-Zeit-Verhalten des Rotwildes erforscht werden und welche Auswirkungen der Tourismus und Jagdruhezonen auf das Wildtier-verhalten haben. Die Halsbandsender der Tiere zeichnen die Koordinaten der Bewegungen alle drei Stunden und 20 Minuten auf und schicken diese täglich an den Server unserer Bodenstation. Nach zwei Jahren werden die Sender durch einen automatischen Drop-off-Mechanismus abgeworfen, ohne dass die Tiere erneut gefangen werden müssen.
Erste Ergebnisse aus dieser Datensammlung zeigen bereits, dass die durchschnittlich genutzte Lebensraumgröße des Rotwildes bei der Freifütterung Weißenstein mehr als doppelt so groß ist wie jene des Rotwildes im Wintergatter Maurach. Bei männlichen Tieren ist diese Home Range rund viermal so groß wie bei weiblichen Tieren.
Diese Erkenntnisse geben bereits Aufschluss darüber, wie diese Tierart sich in ihrem Lebensraum bewegt. Denn die bisherigen Forschungen dazu sind äußerst rudimentär. Allerdings hatten die Beteiligten in diesem Projekt auch bereits mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen: Schon im ersten Winter, kurz nach Beginn der Studie, wurde eines der weiblichen Sendertiere verendet aufgefunden. Bei der tierärzt-lichen Untersuchung durch den Tierschutzbeauftragten wurde das Alter des Tieres anhand des fortgeschrittenen Zahnabriebs auf mehr als 16 Jahre geschätzt und eine natürliche Todesursache aufgrund von Altersschwäche festgestellt.
Keine weiteren Daten kann nun auch der älteste, besenderte männliche Hirsch mehr liefern: Er wurde ein Jahr nach Projektbeginn, am 30.1.2019, in einem Nachbarjagdgebiet erlegt. Besonders brisant – der Abschuss erfolgte illegal mit einem Nachtsichtgerät. Zudem stand der Hirsch nicht auf dem Abschussplan des Jagdrevieres. Dem Schützen wurde umgehend die Jagderlaubnis entzogen und zusätzlich eine Geldstrafe auferlegt. Der illegal erlegte Hirsch war vor seinem bedauerlichen Tod trotz Schneehöhen von über zwei Metern im Winter 2018/19 zunächst in der Hochlage auf über 1.000 Meter Seehöhe unterwegs, ehe er Mitte Januar in die Tieflage auf rund 600 Meter wechselte. Die Lage der Winterfütterung kannte der über zehn Jahre alte Hirsch gut. Trotzdem suchte er die Futterstelle, an der er zu Projektbeginn besendert wurde, in diesem Winter nicht auf. Die Entscheidung war ihm schließlich zum Verhängnis geworden.
Im Juni 2019 standen schließlich noch eine Reihe von Hubschrauberflügen für die Sanierung von Schutzwaldflächen an. Auch hier stellte sich die Frage, wie die besenderten Tiere darauf reagieren. Interessanterweise zeigten sie jedoch kaum Ausweich- oder Fluchtverhalten, wie die GPS-Daten erkennen ließen.
Es bleibt spannend, wie sich dieses Projekt weiterentwickeln wird. Die damit gewonnenen Daten sollen Aufschluss geben, wie sich der Bestand auf natürlichem Wege wieder in Gebieten aufbauen kann, in denen
er bisher nicht mehr existierte.“
Die Akademie wird dieses Projekt auch in Zukunft begleiten.