Sulawesi
Die Akademie in fernen Ländern: Sulawesi
Seit Jahren bereist die Akademie verschiedene Kontinente, um dort Zoos oder Parks zu beraten und sich auszutauschen. Kurz bevor die Tragweite des Ausbruchs von Corona in Deutschland bewusst wird, begibt sich Dr. Julia Gräfin Maltzan nach Sulawesi – einer Insel im indonesischen Archipel.
Was sie im März 2020 erlebt hat, erzählt sie hier:
„Schon der Landeanflug auf Manado gestaltet sich als Abenteuer, da die dichten Wolken die vulkanischen Gebirgsformationen verschleiern und wir immer wieder aufs Meer hinausfliegen müssen. Die Wildtier-Auffangstation in Tasikoki, das Ziel meiner Reise, liegt ganz im Norden der zerklüfteten Insel Sulawesi. Sie bildete sich auf der Trennlinie zwischen eurasischen und australischen tektonischen Platten heraus, wodurch dort eine einzigartige endemische Fauna und Flora beheimatet ist: Allein bei den Säugern sind etliche Arten von Makaken, Koboldmakis, Anoas (Kleinrinder), Kuskus (Beuteltiere), Hirscheber u.v.m. vertreten, die zum Teil nur sehr kleine Verbreitungsgebiete haben. Leider floriert auf den unzähligen Inseln des indonesischen Archipels der illegale Wildtierhandel weiterhin, und auch der Verkauf von „bush meat“, also Wildtierfleisch zum Verzehr – gefürchteter Ursprung von Zoonosen - ist ein lukratives Geschäft. Dadurch ist die Auffangstation in Tasikoki für viele der z.T. geschmuggelten Tiere die glückliche Rettung, sie werden nach der Quarantäne in Gruppen integriert und wenn irgend möglich wieder ausgewildert. Auch Schulklassen können auf dem 55 Hektar großen Gelände mit über 400 Tieren alles über endemische Tierarten und ökologische Zusammenhänge erfahren, was bekanntermaßen die wichtigste Grundlage für langfristigen Artenschutz darstellt.
Die Station in Tasikoki ist dabei eng verbunden mit dem staatlichen Anoa-Zuchtzentrum in Manado, und wird wie diese auch seit Jahren fachlich und finanziell vom Zoo Leipzig unterstützt, da Leipzig in der Erhaltung und Zucht von Flachland-Anoas wegweisend ist. Die kleinen Wildrinder sind durch Jagd und Lebensraumzerstörung in ihrem Bestand gefährdet, und das Berg-Anoa ist in freier Wildbahn vermutlich bereits ausgestorben.
Endlich gelandet! Wie immer habe ich als Spende im Gepäck eine große Menge Medikamente, Blasrohrausrüstung und Bücher. Im Fokus meiner Reise, von und in Kooperation mit dem Zoo Leipzig und Simon Purser von der Wallacea Naturschutzorganisation initiiert, steht nun vor allem der fachliche Austausch mit 15 Veterinären aus ganz Sulawesi, die für eine Woche Fortbildung angereist sind. Unsere Themen in Theorie und Praxis sind dabei u.a. Immobilisation und Narkose, Blasrohrtraining, Fütterung, Haltungsansprüche, Gehegegestaltung, Aufbau der Tierklinik, tierschutzrelevante Aspekte, Fallberichte aus den Einrichtungen der Teilnehmer, und allgemeine Fragerunden zur Wildtiermedizin. Beeindruckend ist auch der Besuch des Anoa-Zuchtzentrums mit seiner neuen Tierklinik, wir vertiefen Aspekte des Zuchtmanagements bei dieser kleinsten Büffelart der Welt, und diskutieren Fütterung, Geburtenüberwachung und Jungtieraufzucht.
Dabei bin ich mal wieder überwältigt und dankbar, wie herzlich und offen ich von den Kollegen aufgenommen werde und wie gebannt alle zuhören und zusammenarbeiten. Alle teilen und diskutieren mit großem Engagement ihre Erfahrungen, Probleme und Ansichten aus den verschiedenen Fachbereichen. Über die gemeinsame Passion der Wildtierbetreuung und die Vision des Artenschutzes sind plötzlich unterschiedliche Tradition, Kultur, Religion und Sprache unsichtbar, wir verstehen uns und sprechen zwischenmenschlich und inhaltlich dieselbe Sprache, und es entsteht eine starke emotionale Verbundenheit und fachliche Wertschätzung.
Mein dankbares Fazit ist also: ich sollte lehren, und habe mal wieder selber viel gelernt!
Eine kurze Bemerkung noch am Rande dazu: Kurz bevor die Tragweite der Covid-Pandemie uns in Deutschland bewusst wird, bin ich auf Sulawesi von den völlig selbstverständlichen, allgemeinen Hygieneregeln beeindruckt – Mundschutz und Händewaschen sind ohnehin permanent an der Tagesordnung, allein als Prophylaxe im Kontakt mit nicht-humanen Primaten, Vögeln und allen anderen Bewohnern der Wildtierstation. Wer hustet, trägt natürlich einen Mundschutz, das ist schon immer so gewesen. Vor der Kaffeepause werden die Hände gewaschen – das hatten wir hier in Deutschland fast vergessen. An allen Flughäfen wird ein Mundschutz getragen und die Temperatur der Passagiere gemessen – ganz anders als bei meiner Rückkehr nach München. Und natürlich hat jeder der Teilnehmer seine eigene Trinkflasche zum Auffüllen dabei, statt Einweg-Plastikflaschen zu konsumieren, als Beitrag zum nachhaltigen Klimaschutz. - Auch in dieser Hinsicht habe ich also dazugelernt!“