Rothirsche im Chiemgauer Alpenraum
Wieder einmal ist es der Mensch, der eine Tierart aus seinem Lebensraum drängt und sich dabei am Ende selbst schadet. Die Rede ist hier vom Rothirsch, dessen Bestand hierzulande nur recht ungleich verteilt ist. Mit fatalen Folgen: Dort, wo er noch vertreten ist, schädigt er die Wälder meist über Gebühr. Um dies zu vermeiden, gilt es nun einer der größten heimischen Wildtierarten Lebensraum zurückzugeben. Ein aufwendiges Projekt im Chiemgau will dazu beitragen.
Bereits 2017 hatte sich dafür der Forstbetrieb Ruhpolding der Bayerischen Staatsforsten an die Akademie gewandt. Der Forstbetrieb hatte eine mehr als 1000 Hektar große Jagdruhezone geschaffen und wollte mit einem Telemetrie-Projekt erforschen, wie die Ansiedelung der Rothirsche auf einer bislang rotwildfreien Zone verläuft und ob die Idee überhaupt funktionieren kann.
Den Hintergrund des Vorhabens beschreibt der Leiter des Forstbetriebs Ruhpolding, Paul Höglmüller, so:
„Im 20.Jahrhundert waren die Rotwildbestände im bayerischen Alpenraum so stark angewachsen, dass eine naturnahe Verjüngung des Bergmischwaldes auf großer Fläche nicht mehr möglich war. Die erforderliche Reduktion hat zu einer sehr ungleichen Verteilung auf der Fläche geführt.“ Zudem werde mit dem Thema Wildtiermanagement in vielen Ländern „hochemotional“ umgegangen: „Das auf Einschätzungen basierende scheidet sich meist deutlich und ist oft sehr verfestigt. Umso wichtiger sind wissenschaftliche Untersuchungen.“
Aufgabe der Akademie sollte es dabei sein, elf Rothirsche für dieses Projekt zu narkotisieren und mit einem Telemetrie-Halsband auszustatten. Dafür sollten die Tiere mit Futter in einen Fangkral gelockt werden, um sich ihnen für die Immobilisation nähern zu können. Der Kral wurde über Kameras rund um die Uhr beobachtet. Sobald die Tiere die Anlage betraten, wurde diese über eine Fernbedienung geschlossen – und Henning Wiesner informiert.
Von München aus startete er dann meist mitten in der Nacht in Richtung Chiemgau zum Treffpunkt mit den beiden Revierjagdmeistern Christian Schweiger und
Andreas Hendlmeier, mit denen er vor Ort zusammenarbeitete.
Doch nicht immer waren diese Fahrten Richtung Chiemgau von Erfolg gekrönt: Mal begann es stark zu schneien, mal löste die Fernbedienung nicht aus, mit der die Anlage geschlossen wurde. Doch nach einigen Wochen und vielen, auch vergeblichen Anstrengungen war es vollbracht:
Elf Rothirsche waren besendert – und hatten auch die recht komplizierte Narkose, für die es eine Menge Erfahrung braucht, unbeschadet überstanden. Die elf Rothirsche liefern seither wertvolle Daten an den Wildökologen Horst Leitner, dessen Klagenfurter Büro mit der Projekt-Leitung beauftragt ist. Das Projekt wird die Akademie auch weiterhin wissenschaftlich begleiten.